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Methodologische Signaturen

Ich freue mich, dass meine Dissertation jetzt als Monografie im Mentis-Verlag erschienen ist. Der vollständige Titel der Arbeit lautet "Methodologische Signaturen – Ein philosophischer Versuch zur Systematisierung der empirischen Erforschung des Geistes von Tieren"  und sie bewegt sich im Rahmen der aktuellen Debatte um Mensch-Tier-Verhältnisse und nimmt dabei ein zentrales Forschungsdesiderat dieses Bereiches aus wissenschaftsphilosophischer und erkenntnistheoretischer Warte in den Blick.

 

Die aktuellen Diskussionen innerhalb der Tierphilosophie drehen sich um die drei zentralen Fragen, ob wir Tieren einen Geist zuschreiben können, worin der Unterschied zwischen Menschen und Tieren besteht und wie sich Menschen gegenüber Tieren (moralisch richtig) verhalten sollen. Bisher jedoch erfährt bei dem Versuch, Antworten auf diese Fragen zu finden, der vermittelte Charakter des Wissens über Tiere kaum oder gar keine Berücksichtigung. Vermittelt ist das Wissen zunächst insofern als wir unser Wissen über Tiere meist von der naturwissenschaftlichen Forschung übernehmen. Vermittelt ist es aber auch insofern als die Naturwissenschaften selbst ihre Befunde nur in jeweils methodisch vermittelter Form erlangen. Deren Methoden, aber auch die sie begleitenden Theorien, Konzepte und Modelle der empirischen Erforschung der Tiere wurden in dem oben genannten Forschungsfeld der Tierphilosophie bislang nicht zum Gegenstand gemacht. Diese Lücke zu schließen, ist das Ziel der meiner Arbeit.

 

Entsprechend der angeführten drei zentralen Fragen ließe sich mein Anliegen auch als eine übergreifende vierte Frage knapp so formulieren: „Wie wissen wir, ob Tiere denken können?“ Konkreter gesprochen, geht es darum, anhand exemplarisch ausgewählter Streitpunkte und Kontroversen in der genannten Forschung die methodologischen, ontologischen und epistemologischen Vorannahmen einzelner Forschungsansätze zu identifizieren. Der Ansatz ist dabei interdisziplinär angelegt. Dieses zeigt sich einerseits schlicht in der Tatsache, dass der Gegenstand der philosophischen Untersuchung die Befunde und Konzepte historischer sowie aktueller naturwissenschaftlicher Forschung ist. Die Interdisziplinarität wird aber auf einer konkreteren Ebene auch darin deutlich, dass ich ein Analysewerkzeug für die Arbeit entwickelt habe, für welches ich genuin geistes- und kulturwissenschaftliche Zugänge nutze. Der Ausgang vom Instrumentarium der Textwissenschaften legitimiert sich schon aus dem trivialen Befund, dass die zu analysierenden Befundlagen der naturwissenschaftlichen Forschung bei aller Operationalisierung doch letztlich in Form von Texten zutage treten. Das Analysewerkzeug erlaubt es, Forschungsansätze anhand bestimmter Kriterien – den methodologischen Leerstellen der Forschung – zu identifizieren und systematisch zu vergleichen. Dieses spezielle Kriterium ist am Leerstellen-Begriff aus den Literaturwissenschaften orientiert und als wissenschaftsphilosophischen Werkzeug genutzt. Als relevante Leerstellen werden beispielsweise die begrifflich-konzeptionelle Bestimmung der zu untersuchenden Vermögen von Tieren, die methodisch-methodologische Bestimmung der Untersuchungsweisen sowie die räumlich-konzeptionelle Bestimmung der Forschungsorte unterschieden.

 

Zu den zentralen Resultaten der Arbeit zählt, dass sich i) individuelle Forschungsansätze anhand der Summe ihrer jeweiligen Leerstellenbestimmungen – diese sind ihre jeweilige methodologischen Signatur – identifizieren und miteinander vergleichen lassen. Weiter zeigte sich, dass ii) die untersuchten Kontroversen der Forschung in ihrem Kern über abweichende Bestimmungen der Leerstellen geführt werden. Der Blick auf die Leerstellen erlaubt es deshalb, deutlich genauer als in allen vergleichbaren Metastudien zur Tierforschung zu sagen, worüber man sich eigentlich streitet, was also die Kernannahmen der kontroversen Positionen sind. Und schließlich zeigt die Arbeit, dass iii) die jeweiligen Leerstellenbestimmungen die Befunde und Erkenntnisse der empirischen Forschung stärker bestimmen, als die erhobenen empirischen Daten selbst. Die (häufig impliziten) Leerstellenbestimmungen betreffen methodologische, ontologische und epistemologische Vorannahmen, die letztlich darüber entscheiden, wie die zu untersuchenden Tiere überhaupt für uns in den Blick geraten.